Overextending and ‘Unbalancing’ Russia
(‘Russland überfordern und destabilisieren’, d.Red.)
Um die aggressive, gegen Russland gerichtete Politik der USA, der Nato und der Fraktion der Transatlantiker in der EU und in Deutschland besser zu verstehen, möchten wir auf ein Dokument aufmerksam machen, dass 2019 in den USA veröffentlicht wurde. Eine Autorengruppe der RAND Corporation hat es als Leitlinie für die Außenpolitik der USA gegenüber Russland formuliert. Die RAND Corporation, einer der einflussreichsten Thinktanks der USA, hat damit einen langfristigen Plan in Form einer Kosten-Nutzen-Betrachtung entwickelt, wie Russland geopolitisch auszuschalten wäre.
Russland soll dazu gezwungen werden, sich ökonomisch total zu verausgaben, damit es die innere gesellschaftliche Stabilität verliert und so strategisch und geopolitisch handlungsunfähig wird. Das ist ein von der RAND Corporation ausgearbeiteter Plan zur Bezwingung Russlands. Der Thinktank, der 1948 zur Beratung des US-Militärs gegründet wurde, brüstet sich damit, schon 1972 die langfristige Strategie mitentwickelt zu haben, die es den USA ermöglicht hat, den Kalten Krieg zu gewinnen, indem sie die Sowjetunion dazu zwangen, ihre gesamten wirtschaftlichen Ressourcen für die Erhaltung des strategischen Gleichgewichts aufzubrauchen. Man schlug damals vor, dass die USA sich von der Strategie verabschieden sollten, auf allen Gebieten gegen die Sowjetunion führend sein zu wollen und stattdessen versuchen sollten, die Initiative zu übernehmen und die Konkurrenz auf Felder zu lenken, wo die USA überlegen waren. Dieses Modell war auch Grundlage für den neuen Plan “Overextending and Unbalancing Russia” (Russland überfordern und destabilisieren), der 2019 veröffentlicht wurde.
Nach Einschätzung der RAND-Analysten ist Russland in bestimmten wichtigen Bereichen wieder ein ernstzunehmender Gegner für die USA geworden. Deshalb empfehlen sie den USA und ihren Verbündeten, eine gemeinsame langfristige Strategie zu entwickeln, mit der die noch bestehende Verwundbarkeit Russlands ausgenutzt werden kann. Dazu wurden verschiedene Maßnahmen auf ihre Eignung zur Destabilisierung Russlands überprüft– im Hinblick auf ihre Erfolgsaussichten, ihre Wirksamkeit sowie auf die damit verbundenen Kosten und Risiken für die USA. Die RAND-Analysten sind der Meinung, dass die russische Wirtschaft am verwundbarsten ist – wegen ihrer großen Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten und weil die Einnahmen aus diesen Exporten durch Sanktionen reduziert und die Energieexporte der USA gleichzeitig erhöht werden könnten. Dabei geht es vor allem darum, europäische Staaten unter Druck zu setzen, damit sie den Import russischen Erdgases einschränken und stattdessen verflüssigtes Erdgas – vor allem aus den USA – beziehen. In den Bereichen Ideologie und Information müsse versucht werden, interne Konflikte anzuheizen, und das Ansehen Russlands im Ausland herabzusetzen – durch den Ausschluss von internationalen Foren und den Boykott internationaler sportlicher Ereignisse, die Russland organisiert. Im geopolitischen Bereich könnte durch weitere US-Waffenlieferungen an die Ukraine die strategische Sicherheit Russlands entscheidend herabgesetzt werden; dabei müsste sehr sorgsam vorgegangen werden, um Russland unter Druck zu setzen, ohne gleichzeitig einen größeren Konflikt in der Ukraine auszulösen, in dem Russland überlegen wäre. Auf dem militärischen Sektor könnten die USA bei geringen eigenen Kosten und Risiken eine starke Wirkung erzielen – durch die Erhöhung der Bodentruppen aus anderen NATO-Staaten und militärischen Manövern entlang der russischen Grenze.
In diese Planungen ordnen sich auch aktuelle Maßnahmen ein: Innere Unruhen in den Anrainerstaaten zu fördern (Belarus, Ostukraine, Bergkarabach) und die Einmischung in die inneren Angelegenheiten (Nawalny).
In dem Fazit des Strategiepapiers (S. 11) kann man interessanterweise lesen: „Russland sucht keine militärische Parität mit den USA und könnte auf einige militärische Aktionen der USA (zum Beispiel erhöhte Marinepräsenz) einfach nicht reagieren; andere militärische Aktionen der USA (zum Beispiel Streitkräfte näher an die russische Grenze bringen) könnte für die USA teurer werden, als für Russland.“ Im Klartext: Der Bericht sagt ganz offen, dass es die russische Bedrohung, die die USA offiziell beschwören, gar nicht gibt. Russland sucht nicht einmal „Parität“, will also nicht einmal genauso stark sein, wie die USA. Und stärker schon gar nicht.
Harald Kolbe, Hannover
p.s.:Wohlgemerkt, die Studie der RAND-Coorparation erschien 2019. In einem Artikel für anti-spiegel.ru schreibt Thomas Röper in einer Art Bestandaufnahme für heute :Was die RAND-Corporation 2019 in einer Studie geschrieben hat, ist zwei Jahre später alles eingetreten. d.Red.
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