Russische Außenpolitik auf dem Sprung nach vorn

Den meisten westlichen Analysten scheint es nicht besonders interessiert zu haben, was zu Ende März Wladimr Putin unterschrieben und Sergej Lawrow zum Ausdruck gebracht hatte. Es ging um ein „Neues Konzept russischer Außenpolitik“.

Im Grunde verbirgt sich hinter dieser etwas sperrigen Formulierung eine Fortsetzung dessen, was Putin selbst schon im Winter 2021 in seinem Schreiben an die US-Regierung äußerte. Bezüglich der Beziehungen zwischen der Russ. Föderation und den USA forderte er letztere sowie die NATO ultimativ auf, deren politisches und militärisches Vorrücken an die russ. Westgrenze einzustellen und insbesondere die Versuche zu unterlassen, die Ukraine gegen Russland militärisch – und auch nuklear – in Stellung zu bringen. Ferner schlug die russ. Führung seinerzeit vor, ganz Europa, also auch den westlichen Teil Russlands, gemeinsam atomwaffenfrei zu gestalten.

Es ist bekannt, daß die US-Führung diesen Vorschlag offiziell überhaupt nicht beantwortete. Wir von der Initiative Frieden mit Russland empfanden ihn dagegen als „glatt akzeptabel“ (vgl. hier).

Alle wissen, was in dieser Zeit seit Ende 2021 passierte: Der Westen ignorierte die Minsker Vereinbarungen, Frau Merkel sowe die Herren Hollande und Macron räumten ihr Verbrechen bloßen Hinhaltens und Schonens der Ukraine ein, denn die Minsker Verträge hatten schließlich UN-Status; Kiew ließ bis zum Februar 2022 keinen Tag ohne Bombardements gegen die ethnisch-russische Zivilbevölkerung der Donbass-Republiken aus; die OSZE als Schutztruppe der Minsker Vereinbarung entpuppte sich vor Ort als veritable Kiewer-Spionagetruppe; der Terror des Kiewer-Naziregimes gegen die eigene Bevölkerung und die Militarisierung der ukrainischen Gesellschaft nahm monströse Züge an.

Die russische Führung konnte dieses westliche Hinhalten bei anhaltenden militärischen Provokationen nicht länger akzeptieren. Sie forderte von den USA und den Westeurpäern „rechtsverbindliche Garantien“ und den Stopp der Offensive. Wir, in der Initiative Frieden mit Russland, fragten uns, was wohl unter solcherart Garantien verstanden werden solle. Auch dies haben die russischen Regierungsstellen in der Gesetzesnovelle zur Außenpolitik erklärt. Eine kurze Darstellung der Essentials dieser Novelle bietet ein Beitrag auf RTDE unter „Putin billigt neues Konzept: Überbleibsel der US-Dominanz in der Welt entfernen“

Unter „Russland als Mediator und Gestalter der multipolaren Weltordnung“ kommentierte Gerd Ewen Ungar noch vor der Verabschiedung  des neuen anußenpolitischen Konzepts ebenfalls auf RTDE die russischen Erwartungen. 

Außenpolitik oder doch eher nur eine Art Dauer-PR ?

Aus unserer Sicht darf angenommen werden, daß die russische Seite ihre höchst anspruchsvollen Ambitionen sehr genau kalkuliert hat und diese auch politisch sehr transparent darstellt – übrigens auch für ihre Gegner in der ‚freien westlichen Wertegemeinschaft‘, die sie nunmehr auch nicht mehr „Partner“ nennen möchte. Letztere wiederum produzieren in ihren außenpolitischen Ambitionen derzeit eher Panik und neigen offen dazu, Außenpolitik durch Militärpolitik zu ersetzen. Wir verweisen hier auf eine ausgezeichnete Polemik zum Thema:  Dagmar Henn unternahm den Versuch, konzeptonelle Unterschiede zwischen der russischen und der deutschen Außenpolitik festzuhalten. Sie räumte ein, dabei gescheitert zu sein und schon der Titel ihres Beitrags spricht Bände: „Russland hat ein außenpolitisches Konzept, Deutschland hat Baerbock“. Dazu hier ein Auszug:

„(…) Ein Wort scheint die deutsche Außenpolitik ganz besonders zu scheuen (außer es geht um die Ukraine, die davon gegenwärtig noch deutlich weniger hat als Deutschland) – Souveränität. Genau das ist der Begriff, der im russischen Dokument eine dominante Rolle spielt. Beziehungen zwischen souveränen Staaten, bei denen die Achtung der Souveränität an erster Stelle steht, das ist im deutschen Außenministerium unmöglich, es werden sofort die Werte ausgegraben und dann die Demokratie. Und man hat sich in ganz EU-Europa so sehr an Demokratie als Worthülse gewöhnt, dass der Widerspruch gar nicht mehr auffällt, der zwischen der ständigen Betonung, wie wichtig Demokratie sei, und der Geringschätzung der Souveränität besteht (…)“.

 


Es erreichten uns zwei Nachfragen zu o.g. Beitrag: Worin, so die erste Frage, soll denn der „große Sprung“ ausdrücklich bestehen ?

Der Autor ‚tibursein‘ weist anhand von Zitaten der russ. Regierungsstellen darauf hin, daß Russland gegen Provokatonen jeder Art in Zukunft ganz ‚unpartnerschaftlich‘ und ganz direkt vorgehen wird. Dies sei in der Gesetzesnovelle auch rechtlich – auch völkerrechtlich ! – definiert worden.

Die zweite Frage: Wie will denn die Russ. Konföderaton (RF) auf Ebene der UN überhaupt noch agieren und konkret um „rechtsverbindlche Garantien“ streiten können, wenn, wie in den letzten zwei, drei Jahren geschehen, ihrem UN-Diplomatenpersonal gar keine US-Visa mehr ausgestellt werden ?

Auch dazu ‚tibursein‘: Es werden seitens der US-Behörden noch immer Visa ausgestellt – nicht pünktlich und nicht vollständig, aber nach Ansicht der RF noch ausreichend, um die sich abzeichnenden und schon langsam wirkenden neuen Mehrheitsverhältnisse (‚Multipolare Weltordnung‘) zu ungunsten des Westens für eine Reform der UNO und ihrer Unterausschüsse einzusetzen. Immerhin spricht sich auch die VR China quasi spiegelbildlich für ebensolche Reformen aus.



Kategorien:Aktuelles, Globale Multipolarität

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