Der kleine Krieg, der den großen Frieden sichert

Wir haben uns in den letzten Monaten gründlich über Genese und Verlauf des Ukrainekonflikts informiert. Der folgende Beitrag stellt die wichtigsten geopolitischen Phänomene dieses Konflikts vor und zeigt die Faktenlage erstaunlich klar: Die Russische Föderation hatte um des eigenen Überlebens willen keine andere Alternative zur Verfügung als jene der noch anhaltenden militärischen Sonderoperation.

Wir bringen hier eine für die website umgearbeitete PowerPoint Präsentation unseres Mitarbeiters Harald Kolbe, der eine geopolitische Umschau zum Konflikt um die Ukraine vorgelegt hat.

 

Der Konflikt um die Ukraine: USA – Russland – China

Die Invasion russischer Truppen in die Ukraine ist der vorläufige Endpunkt einer 1989/90 begonnenen aggressiven Eskalationspolitik der Nato unter Führung der USA gegenüber der Russischen Föderation. Begonnen als ein Wirtschaftskrieg gegen die zerfallende Sowjetunion zwischen 1990 und 2000 und weitergeführt als ein militärischer Aufmarsch durch die Ost-Erweiterung der Nato an die Westgrenzen Russlands seit 1997. Weder wurden die Absprachen zwischen der Sowjetunion und den USA aus dem Jahr 1990 eingehalten, die Nato nicht zu erweitern, noch die in der Nato-Russland-Grundakte von 1997 gemachte Zusage, keine Kampftruppen in den neuen Mitgliedstaaten zu stationieren. Der INF-Vertrag wurde von den USA einseitig unter fadenscheinigen Gründen gekündigt, um danach atomwaffenfähige Mittelstreckenraketen in osteuropäischen Nato-Staaten mit Ziel Moskau zu stationieren; die AEGIS-Raketenkomplexe in Polen und Rumänien sind inzwischen einsatzbereit.

Die von Russland begonnene Militäroffensive als eine Neuauflage imperialistischer Großmachtpolitik zu bezeichnen – etwa nach dem Muster des russischen Zaren – ist insofern falsch, weil es an klassischer imperialistischer Zielsetzung fehlt: die Ausdehnung politischer, wirtschaftlicher oder militärischer Einflusszonen. Seit 1990 haben sich Nato und EU politisch, wirtschaftlich und militärisch über Ost- und Südosteuropa bis an die Grenze der Russischen Föderation ausgedehnt, während Russland die Verringerung seines Einflussgebietes hinnehmen musste. Es ist auch kein Krieg für die Interessen von Banken und Konzernen, um die Eroberung von Rohstoffquellen, um neue Absatzmärkte oder um Investitionsmöglichkeiten von Kapitalexport. Es ist vielmehr der Versuch, die Verwandlung der Ukraine in einen militärischen Vorposten der USA und in ein Aufmarschgebiet der Nato gegen Russland dauerhaft zu verhindern und um die Souveränität eines kontinentalen Raumes, der vom belarussischen Brest bis nach Shanghai reicht, zu erhalten.

Ein Blick in die jüngere Geschichte

Die derzeitige Situation ist nur zu erklären, wenn sie als Teil der geopolitischen Strategie der USA verstanden wird. Seit der Oktoberrevolution 1917 betrachteten die wechselnden US-Eliten die Sowjetunion als Feindstaat, was soweit ging, dass sie 1918 zusammen mit Frankreich und England Interventionstruppen zum Sturz der neuen Revolutionsregierung entsandten.

Diese Gegnerschaft wurde nur von kurzen Phasen sozusagen erzwungener Kooperation unterbrochen wie z.B. der Antihitlerkoalition oder der friedlichen Koexistenz auf Grund des militärisch-atomaren Patts 1963-1978. Daran hat auch nicht geändert, dass Russland heute kein sozialistisches, sondern ein kapitalistisches Land ist. Allerdings hat seit 2011, als Präsident Obama die USA als „Pazifiknation“ deklarierte, China als hauptsächlicher Feindstaat Russland abgelöst.Der damalige US-Außenminister und Ex CIA-Chef Mike Pompeo hatte 2020 eine Grundsatzrede zum Thema „Das kommunistische China und die Zukunft der freien Welt“ gehaltem. Darin charakterisiert er China als kommunistische Gefahr und ruft zu einer Allianz der westlichen Demokratien gegenüber dieses Land auf.US-Außenminister Blinken bekräftigte dies bis heute z.B. in einer Rede an der Georg Washington Universität im Mai 2022. Er bietet China zwar Zusammenarbeit an, allerdings unter der Bedingung, dass es auf militärischem und wirtschaftlichem Gebiet sowie bei der Frage der Menschenrechte nach den Regeln der USA kooperiert.

Für die USA wurde China zum Hauptfeind …

Eine international übliche ökonomische Kennziffer zum Vergleich von Volkswirtschaften ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP, englisch: Gross Domestic Product, GDP) und daraus abgeleitete Größen.Der Vorteilbei dieser Kennziffer ist, dass sie in allen nationalen Statistiken vorhanden ist und auch bei internationalen Institutionen wie Weltbank oder OECD nach genormten Standards erhoben wird.

Der Nachteil ist, dass sie alle in einem Jahr in einer Volkswirtschaft hergestellten Güter und Dienstleistungen zwar wertmäßig erfasst aber diese rein quantitative Messung hat zur Folge, dass selbst Umweltkatastrophen zum Wachstum beitragen können, da ihre Schadensregulierung einen entsprechenden Einsatz von Gütern und Dienstleistungen erfordert. Umgekehrt wächst das BIP nicht, wenn Kinder ihre pflegebedürftigen Eltern versorgen, denn diese Leistung wird nirgendwo wertmäßig erfasst. Das BIP ist deshalb ein Indikator für wirtschaftliche Stärke aber nicht für gesellschaftlichen Wohlstand und Lebensqualität, denn es sagt nichts darüber aus, was mit den produzierten Waren und Dienstleistungen passiert, wem die erwirtschafteten Güter zu Gute kommen, wie die Verteilung in der Gesellschaft aussieht.

Der ökonomische Vergleich USA – China zeigt aber Tendenzen und langfristige Entwicklungen und diese zeigen zu Ungunsten der USA und des Westens insgesamt. Langzeituntersuchungen über die letzten 2000 Jahre zeigen, dass sich die ökonomische Vorherrschaft des Westen – Europa und (Nord-)Amerika – nach ca. 500 Jahren ihrem Ende zuneigt.Bis 2050 wird sich das globale politisch-ökonomische Gravitationszentrum in den asiatischen Raum mit Kern Indien und China verlagern – wo es sich bis zum 16. Jahrhundert auch schon einmal befunden hat.

und es folgte ein Strategiewechsel

Nachdem US-Präsident Obama 2011 die USA zur Pazifik-Nation erklärt hatte, begann die operative Umsetzung für diesen Strategiewechsel. Die RAND Corporation, der Think Tank des Pentagon, hat 2016 eine Studie „War with China – Thinking Through the Unthinkable“ (Krieg mit China – Das Undenkbare denken) erarbeitet, in dem vier Kriegsszenarien für den Zeitraum bis 2025 durchgespielt werden.

Es ist die Vorläuferstudie zu „Overextending and Unbalancing Russia“ (Russland überfordern und destabilisieren) von 2019 (vgl. dazu auf dieser website hier), nach der der Ukraine-Konflikt inszeniert wurde sowie 2020 der Konflikt um Belarus. (Vgl. auch auf dieser website hier.) Demgemäß wurde auch die Militärstrategie der USA 2018 angepasst: „Interstate strategic competition, not terrorism, is now the primary concern in U.S. national security. … Long-term strategic competitions with China and Russia are the principal priorities for the Department.“ („Der zwischenstaatliche strategische Wettstreit, nicht der Terrorismus (…)”, ist jetzt das wichtigste nationale Sicherheitsanliegen der Vereinigten Staaten und “(…) der langfristige strategische Wettstreit mit China und Russland hat dabei für das Verteidigungsministerium oberste Priorität.“).Osteuropa bleibt Aufmarschgebiet gegen Russland

So wie Osteuropa das Aufmarschgebiet gegen Russland ist, ist es der indopazifische Raum gegen China. Das ist die geopolitische Bühne, auf der sich zur Zeit alle Konflikte abspielen und in die sich auch der Ukraine-Konflikt einfügt.Die Nato ist das militärische Instrument gegen Russland; gegen China wird gerade eine Art indo-pazifischer Nato aufgebaut. AUKUS (Australien, UK, USA), QUAD (USA, Australien, Indien, Japan ). Was die Ukraine strategisch für die USA gegenüber Russland bedeutet, ist es Taiwan gegenüber China. Dagegen formiert sich ein eurasischer Block mit dem Bündniskern Russland-China. Die USA könnten China bisher nur seeseitig über das Chinesische Meer angreifen oder blockieren – eine solche, im Wesentlichen amphibische Operation (selbst in Kombination mit Mittelstreckenraketen von den Philippinen oder Südkorea aus), ist aber zum Scheitern verurteilt. Landseitig ist ein erster Versuch gescheitert, in Afghanistan ein mögliches Aufmarschgebiet zu errichten; den sibirischen Landkorridor kontrolliert Russland. Selbst eine Abriegelung des Chinesischen Meeres könnte durch die Landtransportrouten der Neuen Seidenstraße ausgehebelt werden. Insofern ist der Bestand der Russischen Föderation eine Rückversicherung für China.

Heartland‘  als Dauerparameter von Geopolitik

Geopolitik ist eine relativ neue Politikdisziplin, der Staat wird dabei als im Raum wirkender Faktor begriffen. Insbesondere seit der Zeit des Imperialismus wurden die Interessen der Kolonialmächte stärker geografisch betrachtet.Der englische Geograph Halford Mackinder sah 1904 den geographischen „pivot“ („Angelpunkt“) der Weltgeschichte und auch der aktuellen Politik im besonders bevölkerungs- und rohstoffreichen eurasischen „heart-land“ und definierte daher die Verhinderung eines deutsch-russischen „Kontinentalblocks“ als wichtigstes Ziel britischer Weltpolitik.Interessanterweise ist dieser Grundgedanke auch heute noch bei einigen Teilen US-amerikanischer politischer Eliten zielbestimmend. Am 3. Februar 2015 hat der Vorsitzende des amerikanischen geopolitischen Think-Tanks STRATFOR (Strategic Forecasting), Georg Friedman, auf einer Veranstaltung des Chicago Council on Global Affairs u.a. folgendes geäußert: „Für die Vereinigten Staaten ist die größte Urangst, dass deutsches Kapital und deutsche Technologie und die russischen Rohstoffe sich zu einer einzigartigen Kombination verbinden. … Wie kann man erreichen, dass diese Kombination verhindert wird? … Die USA haben die Karten offen auf den Tisch gelegt: das ist die Linie zwischen Baltikum und dem Schwarzen Meer.“ Dies wiederum verweist auf das aktualisierte Konzept eines „Cordon Sanitaire“ in Form der „Drei-Meere-Initiative“. In ihr sind zwölf Länder vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer zusammengeschlossen. Ziel ist es, unter Rückgriff auf alte polnische Strategien aus der Zwischenkriegszeit (Pilsudskis „Intermarium“-Initiative) einen Gürtel antirussisch ausgerichteter Staaten zu formen.Der einflussreichste Anhänger der Heartland-Theorie wiederum war der ehemalige US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski, der dieses 1997 in seinem Hauptwerk „Die einzige Weltmacht“ ausführlich darstellte.

Veränderung der Kräfteverhältnsse – Niedergang der US-Hegemonie

Nach dem Vietnam-Desaster hätte niemand damit gerechnet, dass die USA zusammen mit Nato-Partnern zum zweiten Mal in einem halben Jahrhundert militärisch jämmerlich scheitern wie in Afghanistan. Rechnet man die im Resultat erfolglosen Wirtschaftskriege gegen Kuba, Nordkorea, den Iran, Syrien, Russland, China oder Venezuela hinzu und auch das Scheitern der US-Neuordnung im Nahen Osten, so wird deutlich, dass die Hegemonialmacht USA an ihre Grenzen stößt.

Eine welthistorische Epoche von fünfhundert Jahren, beginnend mit der Kolonialisierung bis zur imperialistischen Weltaufteilung, neigt sich ihrem Ende zu. Insofern wird es, noch befördert durch die Sanktionspolitik des Westens, zu einer geopolitischen Neuformation ihn Form einer multipolaren Welt – Nordamerika incl. Australien und Japan, Lateinamerika, Afrika und naher Osten, Asien, Europa, Eurasien mit China und Russland als Kern – und zu einer Aufteilung der Welt in zwei verschiedene Handels- und Währungsräume mit zwei verschiedenen politisch-militärischen Bündnissystemen kommen.Russlands Orientierung auf Europa wird sich ändern und die damit verbundenen Vertragsstrukturen (OSZE-System) werden an Bedeutung verlieren. Der Eurasische Raum mit seinem komplexen Vertragssystem aus Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU), SCO Interbank Consortium (SCO IBC), Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB), dem Renminbi-basierten Cross-Border-Inter-Bank-Payment-System als Parallele zum SWIFT-System, ergänzt durch den im Aufbau befindlichen Finanz-Reservesystem der BRICS-Staaten Contingent Reserve Arrangement (CRA), wird dagegen an Bedeutung gewinnen.

Die Abstimmungen im UN-Sicherheitsrat (SR) und der UN-Vollversammlung zeigen, dass viele Staaten den Ukraine-Konflikt differenzierter sehen und einer einseitigen Schuldzuweisung an Russland nicht zustimmen. Im UN-SR: China, Indien, VAE. In der UN-Vollversammlung u.a.:

Algerien, Angola, Burundi, Republik Kongo, Mali, Marokko, Mosambik, Senegal, Simbabwe, Sudan, Südafrika, Tansania (Afrika); China, Indien, Bangladesch, Laos, Mongolei, Nordkorea, Pakistan, Sri Lanka, Vietnam (Asien); Bolivien, Nicaragua, Kuba (Lateinamerika); Iran, Irak, Syrien (Naher Osten); Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan.

Insgesamt also ein Viertel der Uno-Mitgliedsstaaten, sie repräsentieren 58% der Weltbevölkerung. Bei den Sanktionen zeigt sich ein ähnlches Bild: Neben Indien und China weigern sich u.a. Brasilien, Marokko, Venezuela, die Türkei, Indonesien, Südafrika und Mexiko, sich den Sanktionen gegen Russland anzuschließen; insgesamt sind es nur 25% der UNO-Mitgliedsstaaten, die die Sanktionen mittragen, während 75% sich nicht daran beteiligen. Insofern ist der „Westen“ weltpolitisch isoliert.

Russland dekolonialisieren: Weltpolitische Skurrilitäten der US-Eliten

Am 23. Juni 2022 fand in Washington ein Webinar des US-Helsinki-Komitees statt, eine Behörde der US-Regierung. Sie wurde 1976 durch den US-amerikanischen Kongress eingerichtet, um die Einhaltung der Schlussakte von Helsinki zu überwachen. Dieses Webinar trug den Titel: „Decolonising Russia: A Moral and Strategic Imperative“. (Vgl.auf dieser website hier.)

Teilnehmer und Referenten waren u.a.: Bakhti Nishanov, Leiter der Veranstaltung, Steve Cohen, demokratischer Kongressabgeordneter aus Tennessee, Mark Rubio, republikanischer Senator aus Florida; weiterhin: Fatima Tlis, Journalistin der Voice of Amerika, aus Tscherkessien (Kaukasus) und Stipendiatin des National Endowment for Democracy (NED), Anna Gopko, ehemaliges Mitglied des ukrainischen Parlamentes (Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses), Mitarbeiterin bei USAID-Ukraine und Mitglied des Young Global Leaders Networks of WEF. Das Hauptreferat hielt Casey Michel, Publizist, der am Hudson Institute arbeitet und seine Thesen vorab in der Zeitschrift The Atlantic v. 27. Mai 2022 veröffentlichte.

Diese Thesen sind indes nicht neu, sondern gehen zurück auf den Altmeisters der amerikanischen Geopolitik, den ehemaligen Sicherheitsberater und Gründungsmitglied von Rockefellers Trilateraler Kommission, Zbigniew Brzezinski. In der wichtigsten außenpolitischen Zeitschrift der USA, Foreign Affairs, veröffentlichte er schon 1997 einen längeren Artikel „A Geostrategy for Eurasia“, wo er in einem Kapitel, betitelt RUSSLANDS HISTORISCHE AUFGABE, die Aufteilung Russlands in drei Teilstaaten vorschlug. Diese Idee wiederum knüpft an die Überlegungen von Halford Mackinder von 1919 an „Wer über Osteuropa herrscht, beherrscht das Herzland. Wer über das Herzland herrscht, beherrscht die Weltinsel. Wer über die Weltinsel herrscht, beherrscht die Welt.“

So skurril das alles klingen mag, es sind reale Überlegungen im Kreis der amerikanischen politischen Eliten; sie meinen weiterhin, die Welt nach ihren Vorstellungen beherrschen zu können.

Ab 2014: Krieg in der Ukraine

Vgl. dazu auch den Betrag der Initiative ‘Frieden mit Rssland’ hier auf dieser website unter “Der Ukrainekrieg – Genesis eines Konflikts”.

Die deutschen Friedensbewegung – illusionär und geschichtsvergessen

In der deutschen Friedensbewegung hat sich eine ganz große Koalition von Kriegsgegnern neu gefunden und dabei eine seltsam ahistorische Mentalität herausgebildet. Von den historischen Ignoranten wird die Intervention Russlands als erster Krieg gegen ein Land in Europa nach dem zweiten Weltkrieg bezeichnet, wobei der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der Nato gegen Jugoslawien konsequent ausgeblendet wird.

Von anderen werden zwar die militärischen, wirtschaftlichen und diplomatischen, letztendlich kriegsauslösenden Eskalationsmaßnahmen von Nato und EU, akribisch aufgelistet, aber es wird daraus lediglich die Schlussfolgerung gezogen, dass ausschließlich Russland an dem militärischen Konflikt schuld sei und die Kampfhandlungen sofort und bedingungslos einzustellen hat sowie eine diplomatische und Verhandlungslösung anzustreben sei. Als ob Russland nicht seit 20 Jahren eine solche versucht hätte. Auch hierbei werden die jahrelangen Artillerieüberfälle der ukrainischen Armee auf den Donbass und deren laut UNO ca. 14.000 Opfer verdrängt. Die Forderung „Den Krieg stoppen! Verhandeln jetzt!“ bedeutet nichts anderes, als den status quo vor dem 24. Februar wiederherstellen zu wollen, also u.a. die Donbass-Region weiter der militärischen Aggression durch die Kiewer Regierung auszusetzen – das ist das Gegenteil von Frieden für die Menschen dort.

Spitzfindig wird es, wenn legalistisch argumentiert wird, dass mit der UN-Sicherheitsrat-Resolution S/RES/2202 v. 7.2.2015 die Volksrepubliken als völkerrechtliche Objekte anerkannt wurden und mit dem Beistandspakt mit Russland dessen Intervention auch völkerrechtlich legitimiert war, eine über die Grenzen der Volksrepubliken hinausgehende militärische Operation aber völkerrechtlich nicht gedeckt sei. Bei dieser Sichtweise werden einige Tatsachen außer Betracht gelassen. Es gab – nicht nur im Donbass – Gegendemonstrationen gegen den Maidan-Putsch sowie Forderungen nach regionaler Autonomie und Föderalisierung der Ukraine. Bewaffnete Aktionen gab es ab dem 1. März 2014 in den Gebieten von Donezk und Lugansk sowie in Charkow, Saporoschje, Dnepropetrowsk und Odessa.

Am 7. April 2014 wurde die „Volksrepublik Donezk“ ausgerufen; Lugansk folgte am 27. April. Am 24. Mai 2014 riefen die Führer der beiden Volksrepubliken die „Konföderative Republik Noworossija“ aus, in welcher die entlang dem Schwarzen Meer gelegenen ukrainischen Verwaltungsgebiete von Donezk bis Odessa zusammengeschlossen waren.

Allerdings konnten sich die Oblaste Charkow, Dnepropetrowsk, Saporoschje, Cherson, Nikolajew und Odessa nicht anschließen. Donezk und Lugansk blieben allein. Grund war die am 13. April 2014 begonnene „Antiterror-Operation“ der Kiewer Regierung zur Bekämpfung der Seperatistenbewegung durch nationalistische Freiwilligenverbände. Die bekanntesten Bataillone waren „Donbas“ im Gebiet von Donezk, „Azow“ im Raum von Mariupol, „Ajdar“ im Raum von Lugansk und „Dnipro“ im Gebiet von Dnepropetrowsk.

In Odessa wurde die Seperatistenbewegung blutig niedergeschlagen, dabei verbrannten während eines Massakers des Rechten Sektors (Prawyj Sektor) am 2. Mai zweiundvierzig Menschen im Gewerkschaftshaus, weitere 250 wurden verletzt. Auch in Mariupol, wo Aufständische am 9. Mai das Polizeipräsidium besetzt hatten, schossen Panzer der Regierungstruppen das Gebäude in Brand, wobei es 30 Tote gab. Die militärische Entscheidung und Wende des Krieges fiel Ende August 2014 in Dorowonezk und Ilovajsk, wo die Kiewer Verbände eine vernichtende Niederlage erfuhren. Danach sah sich die Regierung in Kiew zu Waffenstillstandsverhandlungen gezwungen, die im Minsker Abkommen mündeten.

Wie wir inzwischen durch das freimütige Interview des ehemaligen Präsidenten der Ukraine Poroschenko wissen, wurde das Abkommen seitens der Ukraine lediglich als taktisches Manöver geschlossen, um Zeit für die Reorganisierung der Streitkräfte für einen erneuten Krieg zu nutzen.

Über die weitere Entwicklung der deutschen und europäischen Friedensbewegung wird sicher hier auf der website noch einiges zu sagen und zu diskutieren sein (vgl. z.B. hier). Derzeit kommt es v.a. darauf an, öffentlich mit der Forderung nach dem Ende der Sanktionen gegen Russland und für die Aufnahme von Verhandlungen sowie, um den Enegiemangel in Herbst und Winter zu vermeiden, für die Aktivierung von Nordstream 2 aufzutreten. Alles andere würde bedeuten, um den heißen Brei herumzureden.

 

Aktualisierung: Vor und während der Ukrainekrise haben sich bereits deutliche Anzeichen dafür ergeben, daß ‘Decolonize Russia’ längst nicht mehr nur eine Angelegenheit von gut bezahlten ‘Think Tanks’ im Analyseauftrag der US-Regierung ist. Die Problemlagen in Kasachstan, Tadschkistan, Azerbeidschan, Armenien etc., die plötzlich wie vom Himmel gefallen scheinen, sind alle durchaus mit erkennbaren Mustern der Intevention von interessierter Seite durchwoben. Kürzlich wurde bekannt, daß das auf kriegerische Provokation angelegte ‘Free Nations of Russia Forum’ noch in Dezember diesen Jahres zu einer mehr oder minder öffentlchen internationalen Konferenz einladen will  –  vgl. hier.

In eigener Sache wollen wir als Initiative ‘Frieden mit Russland’ dringend auf unsere Erklärung zum Ukrainekrieg verweisen. Vgl. dazu unter “Macht uns Russland nicht zum Feind!”  auf dieser website. d.Red.


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